Jesus betete: Ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast.
Liebe Leserin, lieber Leser,
»Das kann ich mir nicht vorstellen«, sagte der zwölfjährige Junge im Museum vor einem alten Gemälde, das die Geburt Jesu im Stall darstellte. Dem kann man in gewisser Weise nur zustimmen. Realistisch vorstellen kann man sich die Geburt eines Kindlein in einer vermutlich nicht ganz so warmen Orientnacht zwischen Tieren und Stallinventar nicht so richtig.
Das hängt gar nicht nur mit unserem Weltbild, sondern auch mit der Art und Weise zusammen, wie das Neue Testament im Lukasevangelium davon berichtet. Zumal jeder der vier Evangelisten (Matthäus, Markus, Lukas, Johannes) auch noch sehr unterschiedlich bis hin zu gar nicht von dem Ereignis berichtet. Hier hat Berthold Brecht recht, wenn er sagt: „Wichtig sind nicht die wirklichen Dinge, sondern wichtig ist, wie die Dinge wirklich sind.“ So sind sich die Evangelien darin einige, dass sie nicht so sehr der Frage nachgehen, wo Jesus als junger Mensch kurz nach seiner Geburt ist, sondern wer Jesus später als erwachsener Mensch ist.
Das Johannesevangelium und unser heutiges Losungswort schreiben darüber, indem es über das Gebet Jesu auf dem Weg zum Kreuz berichtet. »Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir …« Jesus ist wie wir auf den Weg in die (eigene) Passionszeit (Leidenszeit). Er ist auf dem Weg zum Kreuz. Aber damit ist er etwa nicht auf dem »absteigenden Ast«, sondern auf dem Weg nach »oben«. Nicht räumlich gesehen, sondern er ist dorthin unterwegs, wo Gott ist und Leben und Licht und Freiheit und Zukunft. Jesus war »oben«, als er wie ein hoffnungsloser Fall »unten« erschien. Und Jesus, der »oben« ist, redet mit seinem Vater – über uns.
Dieses Gebet Jesu zeigt ein Wunder an: Wir, die Kirchen und die Christen sollen alle eins sein durch den einen Herrn und durch dessen Liebe zu uns. Doch das ist nicht ganz so einfach. Während wir uns dieser Tage um Impfstrategien, Lockdownregelungen, Homeoffice und Homeschooling teilweise die Köpfe heiß reden, redet Jesus mit Gott über die Einheit der Christen. Nach Jesu Worten aus unserem heutigen Losungstext kommt es zu einem Gefühl der Einheit und Zusammengehörigkeit in dieser Welt nicht durch Beschlüsse oder Papiere, sondern durch das Gebet füreinander. Das ist zwar, wenn man die jetzige Situation betrachtet, schwer vorstellbar. Aber Gott sei Dank, dass Jesus mit Gott über uns redet und nicht einer von uns. Deshalb folgen wir doch seinem Beispiel, in Wort und Tat.
Einen gesegneten Start in die neue Woche wünscht Ihnen
Ihr Pfr. Paul-Gerhard Feilcke

