Sie sind herzlich zum Gottesdienst am Sonntag, 01.08.2021 um 10.00 Uhr in die Delligser St-Georgs-Kirche eingeladen. Wenn Sie den Gottesdienst nicht besuchen können, finden Sie hier den Predigttext. Am Ende des Beitrags steht GOTTES WORT ZUM SONNTAG zusätzlich als PDF Datei zur Verfügung.
Gnade sei mit uns und der Friede, von dem der da ist, der da war und der da kommt: Jesus Christus. AMEN!
Liebe Leserin, lieber Leser,
an diesem Wochenende kam, fast untergehend in all der derzeitigen Nachrichtenflut, die Information an die Öffentlichkeit, dass am 28. August ein Gedenkgottesdienst für all die Opfer der Hochwasserkatastrophe im Dom zu Aachen stattfinden wird. An diesem werden neben vielen Angehörigen der Flutopfer auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Frank Walter Steinmeier teilnehmen. Dieser Gedenkgottesdienst soll ein Zeichen sein. Denn viele Menschen in unserem Land hat es sehr bewegt, was Anfang Juli, vor allem in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen, geschah. Die unfassbaren Wassermassen, die durch Starkregen Bäche und Flüsse in reißende Ströme verwandelten, brachten viel Zerstörung, Not und Leid über die Menschen in den betroffenen Regionen. Nicht nur die Aufräum- und Reparaturarbeiten werden nach jüngsten Prognosen wohl Jahre andauern. Auch die Heilung von vielen an Leib und Seele, wird entweder wohl nie geschehen oder ebenfalls sehr lange brauchen. In der Online-Ausgabe einer Lokal-Zeitung habe ich dieser Tage einen kurzen Bericht von einer jungen Frau gelesen, die durch die Fluten Haus, Grundstück und fast allen Besitz verloren hat. Sie schreibt: »Es ist ein Geschenk, dass ich noch lebe. Wenn ich jetzt nochmal neu anfangen werde, werde ich mir noch genauer überlegen, wo ich mich niederlasse. Ich werde diese schrecklichen Bilder der letzten Wochen nie vergessen können.« Ich wünsche dieser jungen Frau und den vielen anderen, die unmittelbar von den Ereignissen betroffen sind, dass sie die Kraft finden, irgendwann und irgendwie zu verarbeiten, was geschehen ist. Und natürlich ist es nötig, dass die Ursachen aufgedeckt werden, um aus dem zu lernen, was geschehen ist. »Es ist nötig, dass wir umdenken.«, haben manche in der vergangenen Woche gesagt. Umdenken bei den Bebauungskonzepten von Grund und Boden. Will heißen, wo engen und schränken wir den natürlichen Verlauf der Natur zu sehr ein. Umdenken in unserem eigenen Umgang mit der Natur und dem Klima. Will heißen, wo sind unsere eigenen Grenzen und erkennen wir die Gefahren des immer offensichtlicher werdenden Klimawandels? Es ist leider wie so oft. Erst wenn eine Katastrophe geschieht, beginnt man zu fragen: Wie konnte das passieren? Was haben wir mitzuverantworten? Was ist falsch gelaufen?
Das ist für viele Menschen übrigens auch im persönlichen Leben so. Lebenskrisen zwingen zum Nachdenken: Eine gescheiterte Beziehung, ein Burn-Out, ein Herzinfarkt, ein Unfall. Es gibt viele, die erzählen: Ich musste lernen umzudenken. Und manche sagen: Das war wichtig für mich. Ich habe dabei gelernt, was ich falsch gemacht habe. Ich habe dabei gelernt, was im Leben wirklich wichtig ist.
Liebe Leserin, lieber Leser,
der Predigttext des heutigen Sonntags wurde von einem Mann geschrieben, der eine Lebenskrise hatte, die für ihn zur Bekehrung wurde. In dem Text, den sie gleich lesen werden, blickt er zurück auf sein Leben vor der Krise. Und er beschreibt, wonach er jetzt sein Leben ausrichtet. Ich lade Sie ein, sich auf diese Worte zu besinnen und danach mit mir darüber nachzudenken. Ich bin überzeugt: Diese Worte enthalten auch für uns gute Gedanken.
Wir lesen Worte des Apostel Paulus:
Aber was mir Gewinn war, das habe ich um Christi willen für Schaden erachtet. Ja, ich erachte es noch alles für Schaden gegenüber der überschwänglichen Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn. Um seinetwillen ist mir das alles ein Schaden geworden, und ich erachte es für Dreck, auf dass ich Christus gewinne und in ihm gefunden werde, dass ich nicht habe meine Gerechtigkeit, die aus dem Gesetz, sondern die durch den Glauben an Christus kommt, nämlich die Gerechtigkeit, die von Gott kommt durch den Glauben. Ihn möchte ich erkennen und die Kraft seiner Auferstehung und die Gemeinschaft seiner Leiden und so seinem Tode gleich gestaltet werden, damit ich gelange zur Auferstehung von den Toten.
Liebe Leserin, lieber Leser,
vielleicht fragen Sie sich: Von was für einem Menschen namens Paulus ist hier eigentlich die Rede? Und was hat sich bei ihm so radikal verändert? Was hat er für sich erkannt?
Paulus war unter seinem früheren Namen Saulus so etwas wie ein religiöser Fundamentalist auf dem Boden des Judentums. Man darf aber deshalb wohl gemerkt aus dem kritischen Rückblick auf seine Vergangenheit nicht einfach eine generelle Kritik am jüdischen Glauben machen. Paulus hat erkannt, dass sein früherer religiöser Eifer verhängnisvoll war. Das war zum Schaden für ihn und für andere. Er hat es durch den Glauben an Jesus Christus erkannt. Er hat erkannt: Vor Gott zählt nicht mein religiöser Eifer. Es zählt nicht, dass ich vor Gott mit Stolz sagen kann: Schau her, ich war untadelig. Es zählt nicht meine Gerechtigkeit. Paulus wird in seinem Brief so leidenschaftlich, weil er sich um die Gemeinde in Philippi Sorgen macht. Er sorgt sich darum, dass in der jungen christlichen Gemeinde ein falscher Geist um sich greift – ein gesetzlicher Geist. Ja vielleicht sogar ein fundamentalistischer Geist, um es mit heutigen Begriffen zu sagen. Ihm war zugetragen worden, dass es in der Gemeinde Leute gab, die sagten: Männer, die zu Christus gehören, müssen sich beschneiden lassen. Und die Speisegebote gelten auch weiterhin für alle, Christen wie Nicht-Christen. Paulus vertrat eine andere Position: Wer dies so leben will, kann dies tun – aus freien Stücken. Aber keine Gesetzlichkeit, kein falscher Eifer. Warum sagt er das so? Weil es dazu führen kann, dass man dann ganz bei sich bleibt – bei der eigenen Frömmigkeit, der eigenen Gerechtigkeit, der eigenen Ehre. Da hat man einen engen Blick. Damit schadet man sich und anderen, weil dies fast unweigerlich dazu führt, andere zu verurteilen. Ich denke, dass man diese Gedanken gut nachvollziehen kann. Wir erleben immer wieder, welche Gefahr von fanatischem oder auch egoistischem Eifer ausgehen kann. Es ist wichtig zu erkennen, dass es diese Gefahr auch in unserer heutigen Gesellschaft und natürlich auch in den Religionen allgemein gab und gibt. So manche religiösen wie auch politischen Haltungen dieser Tage, sollten deshalb zurecht von außen erst einmal wohl überlegt und durchdacht werden, bevor man in ihre Botschaften und Slogans mit einstimmt.
Der große Reformator Martin Luther hat hier übrigens eine ähnliche Entwicklung durchgemacht wie Paulus. Er schreibt einmal: »Einst war ich Mönch, der verrückteste Papist [...], so trunken, ja derart versunken in den Dogmen des Papstes, dass ich der Entschlossenste gewesen wäre, alle, wenn ich vermocht hätte, zu töten bzw. denen, die jene töten, beizustehen und ihnen zuzustimmen, die auch nur einer Silbe des Papstes den Gehorsam versagten. Ich war ein so großer Saulus, wie es bis heute noch viele sind.«
Es lohnt sich, gründlich und genau darüber nachzudenken, was oft die Wege sind, die uns in Katastrophen hineinführen. Unhinterfragte Gedanken, egoistische Blicke und Handlungen, Ideen und Lebenshaltungen, die blind machen für die Weite und Zukunft des Lebens. Es wird in der nächsten Zeit vieles zu klären sein, zu dem, was in den Hochwasserkatastrophengebieten passiert ist. Beispielsweise ob Gefahren wirklich offensichtlich gesehen und dennoch unter dem sprichwörtlichen Teppich gekehrt wurden. Es werden viele Menschen weiterfragen, wie es nun weitergehen soll und was aus ihrem Leben nun werden soll.
Mit Paulus begegnen wir einem Menschen, der uns in genau solchen Lebenssituationen einen guten und wie ich finde, sehr praktischen Rat, geben will. Seine Botschaft heißt: Ich möchte einen anderen Blick aufs Leben gewinnen. Einen Blick, der nicht stehen bleibt bei allem irdischen Sein, Sinn und Sinnlosen. Zwei Gedanken sind für ihn dabei wichtig.
Der erste Gedanke: Ich möchte Christus erkennen, und das heißt das Geheimnis seines Leidens und Todes und die Kraft seiner Auferstehung. Das bedeutet: Wenn es etwas gibt, das mir Kraft gibt, auch dann, wenn ich schwach bin, dann kommt es nicht aus mir selbst. Das habe ich gespürt. In meiner Schwäche, in meiner Not, in meinem Sterben zählt nicht, was ich geleistet habe. Es zählt nicht was ich alles durchmachen musste oder verloren habe oder sonst irgendetwas. Es zählt allein, dass es dann eine Kraft gibt, die mich festhält und trägt. Eine Kraft, die mein Leiden und meinen Tod teilt und überwindet. Deshalb kommt es darauf an, diese Kraft zu suchen. Wer das tut, gibt seinem Leben eine andere Richtung. Da braucht man sich nicht zu verstecken, vor Scham oder gar vor Angst. Denn diese Kraft hilft auch Grenzen und Schwächen zu sehen und anzunehmen – bei sich selbst und bei anderen. Mit diesen Augen sieht man die Katastrophen, die Verluste, das Schwache und die Schwachen anders. Das ist für Paulus entscheidend. Und weil es Grenzen und Schwächen gibt, ist für Paulus noch ein zweiter Gedanke wichtig: Nach dieser Erkenntnis strecke ich mich aus! Das heißt über diese Erkenntnis verfügen wir nicht wie über einen Besitz. Sie beinhaltet die wunderbare Einsicht: Niemand von uns ist vollkommen, und niemand von uns muss vollkommen sein. Du lebst, wenn du dich nach Christus ausstreckst. Du lebst, wenn du dich von ihm berühren lässt, wenn du schwach bist, wenn du stark bist, wenn Freude dich erfüllt oder Not und Leid – so wie jetzt bei vielen Menschen in den Hochwassergebieten - dein Herz erfüllen. Er, Jesus Christus, ist für dich da. Durch ihn kannst du leben, denn er schenkt diese Kraft, die wir so oft im Leben brauchen und suchen. Er schenkt sie, jetzt und in Ewigkeit.
Ich wünsche es uns allen, auch Ihnen, lieber Leser, liebe Leserin, dass wir aufgehoben sind im Geheimnis von Jesu Leiden und Tod und uns die Kraft seiner Auferstehung ergreift. Das wünsche ich auch allen, die jetzt alles verloren haben, sei es das eigene Hab und Gut oder gar einen geliebten Menschen – hier in Deutschland oder anderswo auf der weiten Welt.
So bewahre der Friede Gottes, der höher ist als Vernunft, unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unseren Herrn. Amen

