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28.03.2020

Judika - Sonntag 29. März

Andacht von Pfarrer Paul-Gerhard Feilcke

Hinweis: Eine hübsch gestaltete Fassung der Andacht von Pfarrer Paul-Gerhard Feilcke, steht Ihnen am Ende des Beitrags (siehe unten) als PDF - Dokument zum Download zur Verfügung.  

Gedanken zu Beginn:

Ich grüße Sie, liebe Leserin, lieber Leser. Schön, dass Sie vorbeischauen. Nehmen Sie sich doch einfach einmal Zeit. Zeit zum Innehalten, Zeit zum Lesen, Zeit zum Nachdenken. Zeit vielleicht auch zum Austausch mit jemanden Anderen.

Gott lädt uns, sie, dich und mich dazu ein. Nicht nur am Sonntag, sondern ein ganzes Leben lang, zu allen Zeiten. Der heutige Sonntag heißt Judika. Der Name ist dem ersten lateinischen Wort aus dem 43. Psalm im Alten Testament entnommen: „Schaffe mir Recht, Gott.

So beteten und beten Menschen, die verzweifelt sind oder die sich in Not befinden. So können auch wir beten. Nicht nur im Angesicht der Corona-Krise, die unser Land und unseren Alltag derzeit bestimmt. Sondern auch wenn wir selbst, persönlich leiden. Und wir können so auch für andere Menschen beten, die selbst keine Worte mehr haben oder finden.

Der 5. Sonntag der Passionszeit bringt uns nicht nur das Leiden Jesu sondern auch das Leiden dieser Welt sehr nahe.

Deshalb beschenke uns Gott jetzt mit dem Glauben an ihn, den Glauben der Stärke und der Zuversicht. AMEN!

Liedworte: „Er weckt mich alle Morgen“ (EG 452)

1. Er weckt mich alle Morgen, er weckt mir selbst das Ohr. Gott hält sich nicht verborgen, führt mir den Tag empor, dass ich mit seinem Worte begrüß das neue Licht. Schon an der Dämmerung Pforte ist er mir nah und spricht.

2. Er spricht wie an dem Tage, da er die Welt erschuf. Da schweigen Angst und Klage; nichts gilt mehr als sein Ruf. Das Wort der ewgen Treue, die Gott uns Menschen schwört, erfahre ich aufs neue so, wie ein Jünger hört.

Ehr sei Gott dem Vater. Gott lädt Sie, dich und mich ein, auf das Kreuz zu schauen. Auf das Kreuz, an dem Jesus Christus leidet und stirbt. 

Ich lade Sie/Dich ein, ein Gebet mit zu beten:

Herr Jesus, du bist für mich den Weg an das Kreuz gegangen. Das kann ich nicht begreifen. Noch schwerer fällt es mir, das zu glauben.

Du willst, dass ich lebe. Aber oft lebe ich ohne dich.  Herr Jesus, nimm mir die Ängste und die Sorgen, die mich oft beschäftigen. Nimm weg meinen Eigensinn, der mich daran hindert, dir zu vertrauen. Lass dein Wort jetzt in meinem Herzen etwas bewegen. AMEN!

Gnade sei mit uns und der Friede von Gott, unserm Vater und unserm Herrn Jesus Christus. AMEN!

Liebe Leserin, lieber Leser,

das Bibelwort zum heutigen 5. Sonntag in der diesjährigen Passionszeit steht im Neuen Testament im Hebräerbrief, Kapitel 13, die Verse 12-14. Dort heißt es: Darum hat auch Jesus, damit er das Volk heilige durch sein eigenes Blut, gelitten draußen vor dem Tor. So lasst uns nun zu ihm hinausgehen aus dem Lager und seine Schmach tragen. Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir. Soweit das Wort der Heiligen Schrift.

Gott gebe uns Herz für sein Wort und ein Wort für unser Herz. AMEN!

Wie geht es ihnen mit diesen Worten, diesen Bildern des heutigen Predigttextes?

Vielleicht, lieber Leser, liebe Leserin, ergeht es ihnen so wie mir: der Text kommt mir in vielerlei Hinsicht befremdlich vor. Da klingt etwas an von einer blutigen Opferzeremonie - kann das Gottes Wille sein? Ich habe die Bilder der letzten Tage aus aller Welt vor Augen:

Menschen unter Sauerstoffmasken, die in völlig überfüllten Krankenhäusern mit dem eigenen Leben ringen. LKWs, die unzählige an COVID-19 (Corona - Virus)  verstorbene  Menschen  zu Krematorien fahren. Dazu kommen scheinbar leergefegte öffentliche Orte in den Städten Europas und ellenlange Staus an diversen Grenzübergängen, von denen viele im Begriff sind geschlossen zu werden.

Was für eine Virus-Pandemie. Und jetzt ist da auch noch dieser Mensch, Jesus von Nazareth: Warum musste er diese Todesstrafe erleiden? Hat Gott keinen anderen Weg gefunden, um uns zu vergeben? Warum konnte er nicht einfach so vergeben, per Brief & Siegel? Warum musste erst ein Opfer gebracht werden? Warum ist bis heute so viel Leid und Sterben?

Meine ehrliche, persönliche Antwort darauf: Ich weiß es auch nicht. Ich könnte Ihnen jetzt verschiedene Erklärungsversuche aus der Theologie- und Kirchengeschichte präsentieren. Das würde aber am Ende nicht wirklich weiterhelfen, geschweige denn trösten.

Ähnlich verhält es sich übrigens in solchen Fällen, wo uns der Boden unter den Füßen zu entgleiten droht, auch mit Gott. Es steht mir nicht wirklich zu, Gott vorzuschreiben, was er wie hätte anders machen können.  Er hat jedenfalls diesen Weg des Opfers Jesu gewählt. Er wollte es so, mag uns das auch noch so unverständlich oder gar abstoßend erscheinen. Wir können nur versuchen nachzuvollziehen, welcher Sinn darin für uns liegt.

Nach dem Hebräerbrief bedeutet es: Jesus wurde am Kreuz von Golgatha geopfert. Er ging für uns, für sie, für sich und mich freiwillig diesen Weg. Er gab das für ihn Wichtigste für uns auf: sein eigenes Leben.

Drei Schauplätze fallen hierbei in eins.

Da ist das Kreuz von Golgatha. Draußen, auf dem Hügel vor der Stadt. Es steht uns vor Augen, immer wenn wir uns in einer unserer Kirchen zum Gottesdienst versammeln. Und das hat einen Sinn: Dahinter steht das himmlische Heiligtum Gottes. Jesus hat uns durch seinen Tod am Kreuz, den ungehinderten Zugang zu Gott, dem Vater im Himmel eröffnet. Kreuz und Altar sind transparent: Sie bieten uns einen Platz, Gott ungehindert begegnen zu können.

Das führt zur Frage nach dem zweiten Schauplatz: Wo ist ihr Platz? Wo ist mein Platz? Gerade in diesen außergewöhnlichen Tagen. In der Familie? Im Aufrechterhalten des öffentlichen Lebens und der öffentlichen Ordnung? Allein in den eigenen vier Wänden?

Wo ist mein Platz? Schon für unsere Kinder ist das eine wichtige Frage. Meine Frau und ich sehen die Wichtigkeit dieser Frage immer wieder bei unserer kleinen Tochter. Sie versucht mit einem Jahr und vier Monaten recht viel selbständig und alleine zu machen. Sie erfährt und weiß aber auch, wo sie sich einfach fallen lassen kann, wo ihr geholfen wird, wo sie einfach sein kann wie sie ist. Deshalb noch einmal: Wo ist dein/mein Platz, an dem innegehalten, geholfen und aufgetankt werden kann? 

Ganz gleich, wie die Antwort(en) ausfällt/ausfallen. Eines steht fest: „draußen vor dem Tor“, will niemand sein. Da wo ich nicht verstanden und nicht respektiert werde. Da wo Sorgen oder gar Schmerz und Leid mir das Leben schwer machen. Da will niemand sein. Wir wollen nicht „out“ sondern „in“ sein. „Ja, genau!“, würde uns der Verfasser des Hebräerbriefes zurufen. „Genau so ist es auch mit dem Glauben!“

Wir kommen mit unseren Fragen an, warum Gott nicht dieses oder jenes durchsetzt, warum er nicht vor Krankheit und Schicksalsschlägen bewahrt, warum er nicht Gewalt und Elend verhindert. Und hören statt einer zufriedenstellenden Antwort, irgendwie immer wieder die scheinbar deprimierende Geschichte vom Kreuz.

Der Name des Sonntags Judika heißt, wie schon eingangs erwähnt, aus dem Lateinischen übersetzt: Gott, schaffe mir Recht.

Gott lädt uns ein, unsere Sehnsucht nach einer heilen, besseren Welt, mitzubringen. Wir sollen unsere Fragen stellen und uns dabei am Lebens- und Leidensweg Jesu orientieren.

„Wo ist mein Platz?“, haben wir gefragt. Als Christinnen und Christen ist unser Platz unter dem Kreuz. Dahin sollen wir uns auf den Weg machen, der Weg zu Gott ist transparent, durchlässig, für alle. Wir dürfen etwas von der Liebe Jesu erspüren, immer wieder nach Antworten auf das schwer Verständliche im eigenen Leben suchen. Wir dürfen uns immer wieder auf den Weg machen, zu Gott.

Als ich vor Jahren einmal auf einem christlichen Jugendfestival war, kaufte ich mir ein T-Shirt. Es zeigte eine Weltkugel. Darum viele Menschen gereiht, Hand in Hand. Unter diesem Bild stand der Spruch: „My home ist heaven. I‘m only visiting this planet.“ - „Meine Heimat ist der Himmel. Ich bin nur ein Besucher auf diesem Planeten.“ Damit war keine Weltflucht oder Verantwortungslosigkeit gemeint, sondern ich lese heute darin eine gewisse augenzwinkernde Gelassenheit. Diese wünsche ich uns allen, bei dem was wir in den kommenden Tagen und Wochen erleben und vielleicht auch zu ertragen haben. Wir sind eingeladen in ein Zuhause, das ganz woanders ist: “wir haben hier keine bleibende Stadt“.

Bei der Suche nach unserem Platz sind wir unterwegs zum Kreuz und, dahinter aufleuchtend, zur himmlischen Gottesstadt.

Von daher gewinnen wir Halt unter den Füßen, wenn wir unseren Platz in der Welt suchen. Wir können loslassen, was uns bedrückt und beschwert, weil wir unterwegs sind zu dem, der uns beisteht im Leben. Unterwegs zu dem, der uns seine Herrlichkeit bereitet hat. Auf die wir hier schon warten und hoffen können. Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. AMEN!

Ich möchte gerne ein Gebet mit Ihnen und für uns sprechen. Wenn Sie mögen, können Sie es als ihr Gebet gerne mitbeten:

Herr Jesus Christus, wir danken dir, dass du für uns draußen vor dem Tor gelitten hast. Du bist für uns der am meisten Verachtete geworden. Hilf uns, dem Geheimnis nachzuspüren, was dein Opfertod für uns bedeutet.

Öffne unsere Herzen für deine Liebe zu uns, die wir unter dem Kreuz spüren. Hilf uns, nicht engherzig zu werden, auf der Suche nach Bequemlichkeit und Wohlstand, Gesundheit und Sicherheiten.

Herr, der du verlassen warst, wir bitten dich für die Verlassenen in dieser Welt, für alle, die ihren Platz nicht gefunden haben. Gib ihnen festen Boden unter die Füße. Eröffne ihnen einen Standort, der ihnen Erfüllung schenkt.

Herr, der du verlassen warst, wir bitten dich:

Vergib uns, wenn wir dich verlassen und des Glaubens müde werden. Zeige uns in diesen Tagen so vielen Leidens und so vieler Not immer wieder Wege zu dir, damit wir bei dir bleiben. Und bleib du spürbar bei uns.

Gemeinsam beten wir mit den Worten Jesu:

Vaterunser

Vater unser im Himmel.

Geheiligt werde dein Name.

Dein Reich komme.

Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.

Unser tägliches Brot gib uns heute.

Und vergib uns unsere Schuld,

wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.

Und führe uns nicht in Versuchung,

sondern erlöse uns von dem Bösen.

Denn dein ist das Reich und die Kraft

und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

Segen

Der Herr segne dich und behüte dich,
er lasse leuchten sein Angesicht über dir
und sei dir gnädig.

Gott erhebe sein Angesicht auf dich
und schenken dir seinen Frieden. Amen.

Beitrag von Pfarrer Paul-Gerhard Feilcke (Vakanzvertreter)