Predigt zum Bibelwort: Ruth sprach zu ihrer Schwiegermutter Noomi: „Wo du hingehst, da will ich auch hingehen. Wo du bleibst, da bleibe ich auch. Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott.“ (Das Buch Ruth Kapitel 1, Vers 16)
Die Andacht von und mit Pfarrer Paul-Gerhard Feilcke steht Ihnen bei YouTube zur Verfügung:
Am Ende des Beitrags steht GOTTES WORT ZUM SONNTAG zusätzlich als PDF Datei zur Verfügung.
Liebe Leserin, lieber Leser,
haben Sie schon einmal so eine richtige »Talfahrt« erlebt? Nein, ich meine nicht die auf der Achterbahn auf dem Rummelplatz oder wenn man durch den nahegelegenen Hils ins Tal fährt. Ich meine die Talfahrt, wenn es im Leben so richtig bergab geht. Wenn die Ausbildung scheitert, die Arbeitslosigkeit plötzlich eintritt. Wenn hohe Schulden gemacht werden oder durch gesundheitliche Schäden sämtliche Lebenspläne über den Haufen geworfen werden. Oder wenn gar wichtige und wertvolle Beziehungen anfangen zu bröckeln bzw. zu zerbrechen.
Die Stimmung sinkt bei solchen Talfahrten des Lebens ähnlich schnell wie aktuell in der verlängerten Lockdown-Phase der Corona-Krise bei vielen von uns auf den Nullpunkt. Ähnlich war es einer Frau namens Noomi damals in der Bibel ergangen. Sie und ihre Familie waren ins Ausland gezogen, um die eigene Lebensexistenz zu sichern. Doch genau das Gegenteil war nun eingetreten: Erst war der Mann von Noomi gestorben, dann ihre beiden Söhne. Nach 10 Jahren standen sie und ihre beiden Schwiegertöchter ohne Zukunftsaussichten allein da. Auf dem Tiefpunkt ihres Lebens kehrt Noomi mit ihrer Schwiegertochter Ruth schließlich in ihre Heimatstadt Bethlehem zurück.
Warum habe ich mich gefragt bringt Ruth für ihre Schwiegermutter so viel Mitgefühl und Liebe auf, dass sie die Sicherheit des eigenen Volkes und der eigenen Familie aufgibt und mit ihr in ein fremdes Land aufbricht? Wer weiß denn schon, wie es dort einem ergeht? Ist das Gefühl des einander Vertrauens um so vieles größer als die Gefühle der Angst, des Kummers und der Sorgen.
Nicht nur die Geschichte von Noomi, auch die Geschichten unserer Tage heute erzählen uns von vielen Menschen, die diese Gefühle der Angst, des Kummers und der Sorgen, leider Tag ein und Tag aus, erleben. Nicht wenige in unserem Land wünschen sich, vermutlich wie auch Noomi damals, dass alles wieder wird »wie früher«. Aber welches »früher« ist damit gemeint? Hilft dieser Blick zurück wirklich weiter?
Der Blick in Gottes gutes Wort, da bin ich mir sicher, hilft auf alle Fälle weiter. Warum, fragen Sie sich vielleicht jetzt? Gegenfrage: »Kennen Sie die Bibelstelle, die uns auffordert, Angst zu haben?« »Nein?« »Seltsam. Ich auch nicht.« »Aber - kennen Sie wenigstens die Bibelstelle, die uns lehrt, angesichts schlimmer Ereignisse zu schlottern wie Espenlaub, mit den Zähnen zu klappern und uns stocksteif vor lauter Angst nicht mehr zu rühren?« »Auch nicht?« »Na ja, ich kenne auch keine solche Aufforderung aus der Bibel.«
Und warum? Weil die Bibel uns gerade heute mit der Geschichte von Ruth bei allen Angstbotschaften, Katastrophen und Skandalen eine andere Antwort auf das Leben und die Lebenszeit gibt: »Wo du hingehst, da will auch ich hingehen, wo du bleibst, da bleibe ich auch. Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott. « Dieser bei Trauungen oft so beliebte Spruch, zumindest der erste Teil davon, ist mehr als nur ein Versprechen von einem Menschen zu einem anderen Menschen. Er ist das Zeugnis eines tiefen Glaubens, voller Zuversicht und Vertrauen. Ruth zeigt uns heute im Jahr 2021: Vertrauen ist kein abstrakter Wert oder einfach eine Emotion, die sich hier durch die Liebe zu einem geliebten Mitmenschen zeigt. Nein, Vertrauen ist eine bewusste Entscheidung, die gelebt werden will.
Die Worte von Ruth zeigen mir neu, dass das Vertrauen zu meinen Mitmenschen aber auch das Vertrauen auf Gott aktiv, mein eigenes Engagement und meine eigene Entscheidung sind. Die Geschichte von Ruth lässt mich persönlich und direkt fragen: Auf wen oder was setze ich mein Vertrauen dieser Tage?
Ich möchte gerne so vertrauen wie Ruth. Vor allem ihre letzten Worte geben mir Kraft: „Dein Gott ist mein Gott.“ Gottvertrauen, also mein Glaube an einen guten und liebenden Gott, ermutigt mich immer wieder Ängste ernst zu nehmen und Problemen ins Gesicht zu schauen – aber dann auch zu trösten und zu ermutigen, zu helfen und Herausforderungen gemeinsam beispielsweise mit meiner Familie zu überwinden. Und so steht mein Vertrauen mit einem Bein hier auf der Erde mitten in der sichtbaren Realität bei den Menschen, die mir wichtig und lieb sind – und mit dem anderen Bein knie ich gleichzeitig ganz nahe bei meinem Gott. Der Glaube daran ist es, dass dieses Leben sinnvoll ist und dass es ein Geschenk eines Gottes ist, dass mir trotz aller Ängste, Sorgen und Nöte, die Kraft gibt festzuhalten: an ihm, Gott, und an den Menschen, die ich liebe. Ja, ich möchte gerne so vertrauen, wie Ruth vertraute. Im Glauben an Gott und die Menschen. AMEN!
Einen gesegneten Sonntag und einen guten Start in die neue Woche wünscht Ihnen,
Ihr Pfr. Paul-Gerhard Feilcke

