Das Predigtwort für Sonntag steht im Evangelium nach Matthäus (Kapitel 5, Vers 9):
Jesus Christus spricht: Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Söhne und Töchter Gottes genannt werden.«
Am Ende des Beitrags steht GOTTES WORT ZUM SONNTAG zusätzlich als PDF Datei zur Verfügung.
»SELIG SIND DIE FRIEDEN STIFTEN«
Liebe Leserinnen & Leser,
»Wir müssen lernen, die Leere zu ertragen und in ihrer Gegenwart zu leben«. Simone Weil (1909-1943), eine französische Philosophin und Glaubenszeugin, hatte einst so gesprochen. Void ist hierbei das englische Wort für diese Leere. Der amerikanische Architekt und Stadtplaner Daniel Libeskind hat Voids, Hohlräume der Leere, in sein Jüdisches Museum in Berlin eingefügt: Orte der Leere, in deren Gegenwart wir lernen müssen zu leben. Leere bleibt, wo Gewalten gewütet haben.
Die Tage vom 14. bis 17. Juli diesen Sommer ließen durch eine ungewöhnlich starke Unwetterlage, die Gewalten des Wassers in ihrer exzessiven und zerstörerischen Kraft zu Tage treten. So riss dieses Wasser nach letzten Daten über 178 Menschen mit in den Tod. Nachdem die letzten Tage für viele betroffene Menschen das Ausmaß des materiellen Verlustes wie auch die Erkenntnisse persönlicher Verluste immer deutlicher und schließlich zur Gewissheit werden ließen, rollte eine Welle der Hilfe und der Solidarität an. Unzählige Aufräumarbeiten und Spendenhilfen werden dieser Tage geleistet. Stark engagiert sind hierbei auch viele Kirchen, Gemeinden und christliche Werke, wie etwa die Diakonie und die Charitas. Im Großen wie im Kleinen wird versucht, schnell zu helfen und nachhaltig zu helfen. Auch unsere St. Georg-Kirchengemeinde in Delligsen mit ihren Gemeindegruppen sowie unser Evangelischer Kindergarten versuchen zu unterstützen und zu helfen. So sind in den letzten Tagen über 1000€ für die Betroffenen und die Opfer der Flutkatastrophe gesammelt wurden. Ein herzliches Dankeschön an dieser Stelle dafür allen die gespendet haben.
Und doch, die unfassbaren Ausmaße der Flutkatastrophe und das mit ihr eingetretene Leid, hinterlassen jetzt wenige Tage danach, bei vielen betroffenen Menschen eine plötzliche Leere. Es ist die Unfassbarkeit und Sinnlosigkeit zerstörerischer Gewalten, in diesem Falle der Naturgewalten. Auch wir, hier in unserem Ort Delligsen, in der malerischen Hilsmude, kennen die Kraft dieser Naturgewalten. Erst vor wenigen Wochen wurden auch bei uns durch starke Regenfälle viele Straßen mit einer matschig-erdbraunen Wassermasse überzogen, die anschließend auf Grundstücke, auf Höfe oder in Gärten floss. Auch Häuser und damit Wohnungen wurden mit beschädigt. Unsere Gedanken sind deshalb dieser Tage auch bei unseren Mitmenschen im Ort, die von diesem Regen betroffen und getroffen sind. Und wir danken allen, die mitgeholfen haben, zu sichern, zu helfen und aufzuräumen.
Die derzeitigen Bilder aus Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz aber auch aus Bayern und Sachsen bestimmen aber weitestgehend die mediale Öffentlichkeit. Über Nacht aber teilweise auch am helllichten Tage erreichten uns folgende Bilderszenen: überflutete und von Schlamm und Erde verstopfte Straßen und Wege, zerstörte Häuser und Straßen, schier sich unendlich weit türmende Berge von durch die Wasserkraft verursachten Müll und Schutt. Und dann auch Bilder von Menschen, die sich bis zum äußersten für Andere einsetzen, um sie aus den Fluten oder den Müll- und Schuttbergen zu retten. Vielen kann so geholfen werden doch für viele kommt jede Hilfe zu spät. Und so bleibt für viele - Betroffene und Helfende zugleich - ein Gefühl der Leere zurück. Absolut Zerstörerisches zu sehen, dem man scheinbar machtlos gegenübersteht.
Gibt es einen Weg aus diesem Abgrund der Leere, des Schocks und der Hilflosigkeit hinaus? Gibt es einen Weg zu einem Sinn, der die Leere überwindet? »Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Söhne und Töchter Gottes genannt werden.« So heißt es in der Bergpredigt Jesu. Oft wird dieser Teil der Verkündigung Jesu als Aufforderung dazu gedeutet, Unrecht oder auch Leid einfach nur hinzunehmen: Geh auch die zweite Meile mit, würde das vielleicht mit Blick auf die derzeitige Situation vieler vom Hochwasser betroffenen Mitmenschen in unserem Land bzw. in den Niederlanden, Belgien und der Schweiz heißen. Doch das ist ein Missverständnis. Ein solches Verständnis der Worte Jesu entlastet uns nur scheinbar von den Zumutungen der Bergpredigt. Aber deren Zielrichtung gerät dabei aus dem Blick.
Es geht Jesus, dem Bergprediger, nicht darum, Leid, Unrecht oder gar Gewalt passiv hinzunehmen. Sondern all das zu überwinden, ist das Ziel. »Selig sind die Friedensstifter« – nicht die Friedfertigen also, sondern die »Friedensverfertiger«. Das ist die entscheidende Botschaft der Bergpredigt. Mit dem Frieden, um den es hier geht, ist dabei auch mehr gemeint als die bloße Abwesenheit von Gewalt. Gewiss, wer Frieden schaffen will, muss die Gewalt bändigen und überwinden. Das tiefe Dilemma der Friedensstifter ist uns in den vergangenen Tagen aber auch wieder neu vor Augen getreten. Wie antworte ich auf das Leid so vieler vom Hochwasser betroffener Menschen?
Eine leichte, alles zuFRIEDENstellende Antwort, auch für uns als Christen, gibt es nicht. Aber in diesem Dilemma gibt die Bergpredigt eine gute Richtung verantwortlichen Handelns vor. Diese Richtung ist durch den Vorrang mitfühlenden und liebevollen Handelns bestimmt. Wer Leid, Not und Tod nur bei anderen wahrnimmt, bringt sich selbst mehr oder weniger immer wieder zu den dazu gehörenden Ereignissen auf Distanz. Tage wie die letzten lassen in mir immer wieder den Wunsch oder die Vision aufkommen, dass unsere Welt sich insgesamt stärker von einem Glauben und einer Lebenshaltung leiten mögen lasse, die den Anderen oder die Andere in einer globalisierten Welt auch dann nicht aus den Augen verliert, wenn scheinbar vieles in Ordnung ist.
»Selig sind die Friedensstifter« – nicht die Friedfertigen also, sondern die »Friedensverfertiger«. Jesus will uns nicht von der Sorge und Mühe befreien, immer wieder zu versuchen, Vertrauen und Mitgefühl zueinander aufzubauen. Beides liefert den wertvollsten Frieden, den wir im Leben erlangen können und den gerade dieser Tage viele Menschen in unserem Land brauchen. Den inneren Frieden zu erfahren, dass ich Trost im Leiden erhalte und die Kraft geschenkt bekomme, das Leben zu leben und mich nach Gott und dem Glauben an ihn auszustrecken. Dies ist der Glaube an einen Gott, der trotz aller ungeklärten Probleme und kaum auszuhaltender Erfahrungen von Not und Leid, verspricht, ein Gott des Lebens zu sein. Mit ihm neu zu beginnen, jeden Tag neu, das kann helfen die Leere zu ertragen und in dieser Gegenwart, im Hier und Jetzt, zu leben, weiterzuleben, Frieden und damit Hoffnung zu finden. AMEN!
Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag. Gott segne uns in der kommenden Zeit. Er bewahre uns an Leib und Seele und schenke uns die Kraft des Glaubens, trotz aller Not und trotz allen Leidens zu leben.
Ihr Pfr. Paul-Gerhard Feilcke

